Nachfrageüberhang und erneute Zinswende könnten 2024 Transaktionen begünstigen
Pressemitteilung
03 Oktober 2023
Markt für Wohninvestments verliert weiter an Schwung
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FRANKFURT, 4. Oktober 2023 – Der deutsche Wohninvestmentmarkt hat nach leicht positiven Signalen zum Ende des ersten Halbjahres im dritten Quartal 2023 an Dynamik eingebüßt. Das Transaktionsvolumen* summiert sich auf 1,4 Milliarden Euro und liegt damit mehr als die Hälfte unter dem Wert des Vorjahresquartals (3,14 Milliarden Euro) und drei Viertel unterhalb des Fünfjahresschnitts. Zwischen Juli und September wurden 10.100 Wohneinheiten gehandelt, im zweiten Quartal waren es knapp 13.000 gewesen. Für die ersten neun Monate ergibt sich somit ein Transaktionsvolumen von rund 5,9 Milliarden Euro, ein Minus von 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Im zweiten Quartal hatte der Wohnungskonzern Vonovia durch zwei großvolumige Verkäufe von zusammen rund 1,5 Milliarden Euro noch für eine spürbare Marktbelebung gesorgt. „Der erhoffte Rückenwind aus diesen beiden Großtransaktionen ist jedoch nicht eingetreten. Eine weitere Annäherung bei den Preisvorstellungen zwischen Käufern und Verkäufern ist im dritten Quartal noch nicht abgeschlossen und es fanden nur wenige Transaktionen statt. Daran dürfte sich bis Jahresende nicht viel ändern“, sagt Michael Bender, Head of Residential JLL Germany.
Im kommenden Jahr könnten allerdings positivere Rahmenbedingungen für eine Belebung des Marktgeschehens sorgen: „Durch den deutlichen Rückgang der Inflation im Euroraum im September ist eine weitere Anhebung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank unwahrscheinlicher geworden“, meint Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Die inverse Zinsstrukturkurve deute zudem darauf hin, dass die Marktteilnehmer mittel- bis langfristig wieder mit sinkenden Anleiherenditen rechnen. „Ein leichtes Absinken des Zinsniveaus im kommenden Jahr ist daher möglich, allerdings dürfte das Tempo der Leitzinssenkungen nicht annähernd so hoch sein wie bei den bisherigen zehn Leitzinserhöhungen“, unterstreicht Scheunemann.
Eigenkapitalstarke Investoren prägen das Marktgeschehen
Eine Belebung des Wohninvestmentmarkts hängt wesentlich von der zukünftigen Zinsentwicklung ab. Unter den aktuellen Bedingungen mit hohen Kapitalkosten und einer vergleichsweise hohen Attraktivität alternativer Anlageklassen agieren viele Investoren momentan stark zurückhaltend. Das Marktgeschehen wird daher von eigenkapitalstarken und damit weniger zinssensitiven sowie langfristig agierenden Marktteilnehmern dominiert. So hatten Asset- und Fondsmanager, zu denen auch Family-Offices zählen, im dritten Quartal einen Anteil am Transaktionsvolumen von 56 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren lag ihr Anteil lediglich bei 22 Prozent.
Typischerweise kauft diese Investorengruppe kleinere bis mittelgroße Assets und/oder Portfolios in guten Lagen, die einen Renditehebel bei überschaubarem Aufwand aufweisen. Daher verwundert es nicht, dass der Anteil der Objekte im Core-plus-Segment in den ersten drei Quartalen mit rund 86 Prozent am gesamten Transaktionsvolumen besonders hoch war (Fünfjahresdurchschnitt: 47 Prozent).
Viele kleinere Abschlüsse und so gut wie keine Forward-Deals
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der durchschnittlichen Größe der registrierten Transaktionen wider, die mit rund 32 Millionen Euro pro Deal um etwa die Hälfte unter dem Durchschnitt der Vergleichsquartale der Vorjahre liegt. Insgesamt entfallen knapp 60 Prozent der Abschlüsse auf das Segment unterhalb von 20 Millionen Euro. Mit insgesamt rund 44 gezählten Abschlüssen liegt die Zahl der Transaktionen im dritten Quartal ebenfalls um etwa die Hälfte unter dem Quartalsdurchschnitt der letzten fünf Jahre (96 Abschlüsse pro Quartal).
Zur rückläufigen Transaktionstätigkeit auf Gesamtjahressicht beigetragen hat auch das Ausbleiben von Forward-Deals. Lag der Anteil der Forward-Deals am deutschen Wohninvestmentmarkt in den letzten fünf Jahren bei rund 25 Prozent, so betrug er in den ersten drei Quartalen dieses Jahres nur noch 7,3 Prozent.
Neubaukrise führt Projektentwickler in einen Teufelskreis
Die Ursache für die wenigen Forward-Deals liegt in der Krise des Wohnungsneubaus in Deutschland. Die deutlich gestiegenen Baukosten sowie die in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsenen planungs- und baurechtlichen Anforderungen in Verbindung mit den stark gestiegenen Kapitalkosten setzen der Branche gleich von mehreren Seiten zu, was sich unmittelbar bei den Projektentwicklern bemerkbar macht. So zwingen verzögerte Prozesse, zum Beispiel durch einen Einbruch der Verkäufe im Einzelvertrieb von Eigentumswohnungen, sowie sinkende Immobilienbewertungen die Projektentwickler dazu, Zwischenfinanzierungen und Neufinanzierungen zu deutlich restriktiveren Bedingungen abzuschließen. In der Folge benötigen sie mehr Eigenkapital, was in einem sich verschlechternden Umfeld jedoch schwierig zu beschaffen ist.
Viele Projektentwickler geraten daher zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten, insbesondere wenn sie nicht gleichzeitig über andere laufende Einnahmen, wie zum Beispiel aus der Bestandsvermietung, verfügen und somit auf Überbrückungskredite angewiesen sind. „Erste Insolvenzen im Projektentwicklermarkt haben zu einer weiteren Verunsicherung geführt und die Kapitalverfügbarkeit zusätzlich erschwert. Banken und alternative Immobilienfinanzierer müssen auf diese weiter gestiegene Unsicherheit und das erhöhte Marktrisiko ihrerseits mit höheren Margen und gestiegenen Anforderungen reagieren – ein Teufelskreis“, erläutert Scheunemann.
Nachfrageüberhang und anhaltende Preiskorrekturen machen Abschlüsse wahrscheinlicher
In den vergangenen zwölf Monaten ist der Wohnungsneubau in Deutschland massiv eingebrochen. Aufgrund des deutlichen Rückgangs der Baugenehmigungen und der anhaltenden Zurückhaltung der Projektentwickler erwartet JLL, dass das Neubauvolumen unter den aktuellen Rahmenbedingungen schon im Jahr 2024 unter 200.000 Wohnungen fallen könnte. Insbesondere für die Mietwohnungsmärkte bedeutet dies eine weitere Verschärfung des bestehenden Nachfrageüberhangs.
Folglich dürften die Marktmieten weiter steigen, wodurch die Attraktivität von Wohninvestments weiter zunehmen wird. Setzt sich die Renditedekompression fort – in den ersten neun Monaten 2023 sind die Spitzenrenditen in den Big-7-Städten durchschnittlich um rund 60 Basispunkte gestiegen –, werden auch andere Käufergruppen wieder stärkeres Interesse an Wohninvestments zeigen. „Mit der möglichen Trendwende bei den Zinsen scheint ein spürbares Anziehen des Transaktionsmarkts ab dem kommenden Jahr realistischer“, so Bender.
* Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens zehn Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung sowie der Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge
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